Talkgast Fabian vor Bücherregal spricht ins Mikrofon

Folge 6

„Ich habe eine größere Antenne für Mobbing

Mit Fabian Bianchi – Lehrer und Autist

Erscheinungstermin: 21.05.2024, Autorin: Mirjam Rosentreter

Intro

Musik: (Joss Peach: Cherry On The Cake, lizensiert durch sonoton.music)

Sprecher: Spektrakulär – Eltern erkunden Autismus.

Mirjam Rosentreter (Moderatorin/Host): Hallo. Mein Name ist Mirjam Rosentreter. Ich bin Journalistin, Mutter eines Sohnes im Autismus Spektrum, und ich mach das hier nicht alleine: Bei mir ist Marco Tiede.

Marco Tiede (Co-Moderator/Co-Host): Ja, Moin! Ich bin auch Vater eines Jungen im Spektrum, und ich arbeite Therapeut und auch als Berater.

Mirjam: Es gibt zu dieser Langversion unseres Podcasts auch eine kurze, den Kurzpod. Ein Manuskript zu dieser Folgefindet ihr auf unserer Seite spektrakulaer.de.

Sprecherin: Heute mit Fabian Bianchi – Lehrer und Autist

Intro-Ende: Musik + Geräuscheffekt (Klapper)

Mirjam:

0:00:43

Hallo, herzlich willkommen zu unserer siebten Folge. Jetzt kann man das Wort mal schön entspannt benutzen, zu unserer siebten normalen Folge, denn wir hatten ja zwischendurch auch… Moment mal, es ist gar nicht die siebte, es ist die sechste! Eins, zwei, drei, es ist die Sechste!

Marco: Es ist die sechste, ja.

Mirjam: (lacht)

Marco: Und was heißt eigentlich normal, würde ich da mal zwischenfunken..

Mirjam: Ja, ja, genau. Also: Ja, es ist eine normale Folge, weil es kein Extra-Pod ist, aber in unseren Kreisen wird das Wort ‚normal‘ nicht so gerne gehört. Oder wie geht es dir, Fabian, damit? Wollte ich eigentlich gar nicht mit einsteigen, aber ergibt sich gerade so. Hörst du das Wort ‚normal‘ mit normalen oder mit gemischten Gefühlen?

0:01:24

Fabian: Also ich würde sagen, mit normalen Gefühlen, ich bin nicht so empfindlich darin, wenn es um Bezeichnungen geht. Und mir hat es nie Probleme gemacht, wenn von normal oder nicht normal gesprochen wird. Normal heißt nur zur Norm gehörend, also zum Durchschnitt gehörend. Und da ist es nicht zwingend etwas Gutes oder Schlechtes, normal oder unnormal zu sein.

0:01:51

Mirjam: Ja, da haben wir schon unser erstes Statement. Aber noch mal zurück. Ich habe euch ja noch gar nicht vorgestellt, wer die Stimme war, die ihr schon gehört habt. Die gehört zu Fabian Bianchi, unserem heutigen Gast. Hallo noch mal, Fabian.

Fabian: Hallo.

Mirjam: Schön, dass du da bist.

0:02:06

Du bist etwas sehr Ungewöhnliches. Du bist autistischer Lehrer.

Fabian: Ja.

Mirjam: Als wir das im Elternkreis erzählt haben: „Wow, der traut sich was!“ Also wenn wir über Schule sprechen bei uns im Podcast oder in unserem Elternkreis, den Marco und ich auch beide moderieren, so eine Gruppe von Eltern autistischer Kinder und Jugendlicher und Erwachsener, die sich regelmäßig trifft, dann ist meistens das Ergebnis entweder „ich bin froh, wenn das mal vorbei ist“ oder so rückblickend, „das war die schlimmste Zeit meines Lebens.“

Marco: Also aus Sicht der autistischen Schüler meinst du jetzt, ne?

Mirjam: Und als ich gehört habe, dass du Lehrer bist, also dazu noch zum Hintergrund, wir kennen dich über unseren Mitarbeiter im Podcast-Projekt, über Marco Bianchi, der für uns die Homepage entwickelt hat und Social Media mitbetreut, du bist sein Bruder, und als ich dann gehört habe, du bist Lehrer, war auch mein erster Impuls: Wie kann man freiwillig zurückgehen an die Schule?

0:03:10

Fabian: Also, dazu muss ich sagen, es war nicht von Anfang an das, was ich machen wollte. Nach der Schule bin ich erst danach gegangen, wo gibt es Einstiegschancen. Da habe ich eine kaufmännische Ausbildung gemacht bei einem Versicherungsmakler hier an der Bremer Versicherungsbörse. Ja, guter Betrieb, aber falsche Berufswahl. Dann bin ich an die Uni gegangen, habe es mit Informatik versucht, war eine Katastrophe. Dann habe ich das erste Mal mich für etwas entschieden, wo einfach mein Interesse liegt, da habe ich Geschichte und Geografie studiert. Und da hatte ich immer noch nicht die Idee, Lehrer zu werden. Aber ich habe zwei ältere Brüder, die haben beide jeweils einen Sohn, und das ist einer der Gründe, warum ich auf diese Idee gekommen bin. Denn ich hatte Umgang mit den Kindern, dachte, da kann man was Gutes machen. Und dann gab es am Ende meines Studiums zwei Sachen für mich zur Auswahl, entweder in die Forschung gehen oder als Lehrer arbeiten. Und ich habe beides versucht, also in beiden Fällen versucht mich zu bewerben. Als Historiker in der Fachdisziplin Disability History.

Mirjam: Ahh!

Fabian: Das ist zwar einerseits gerade modern in der Geschichtswissenschaft, aber andererseits sind die Geisteswissenschaften nicht gerade mit guten Budgets für die Anstellung von vielen Doktoranden gesegnet. Und dann war ich einmal kurz bei einer Haupt- und Realschule, Vertretungslehrer, und als Zwischenstation hatte ich dann Deutsch als Fremdsprache unterrichtet online.

Mirjam: Während der Corona-Zeit, oder? Klingt so wegen online.

Fabian: Das war in der Corona-Zeit, aber nicht deswegen. Und dann habe ich es ein zweites Mal als Lehrer versucht und bin dann an einer Schule gelandet, wo ich auch willkommen geheißen wurde und wo von Anfang an klar war, ich bin leicht autistisch. Denn das hatte ich auch schon im Vorstellungsgespräch erwähnt, ohne dass ich dazu gedrängt wurde.

0:05:26

Mirjam: Hattest du dir das vorher vorgenommen, das zu sagen?

Fabian: Ja.

Mirjam: Und an welchem, also hattest du dir so eine Strategie überlegt, an welchem Punkt du es sagst, also wann du bereit dafür bist oder bist du gleich damit reingegangen?.

Fabian: Also, was klar war, man muss beim Online-Teil der Bewerbung als Lehrer auch so ein paar Sachen ausfüllen. Man muss zum Beispiel einen Grad der Behinderung, der ist jetzt, ich habe zum Beispiel 30 Punkte auf dieser Skala. Und ja, bei dem Bewerbungsgespräch dürfen die Chefs auch nicht fragen, was ist das für eine Behinderung, was haben sie? Sie dürfen nicht rumstochern. Es fiel nur einmal die Frage: „Sie haben das angegeben, brauchen Sie etwas zur Unterstützung?“ Sie wussten nicht, was es ist. Es war nur eine Frage, um vorbereitet zu sein, also völlig in Ordnung. Und da habe ich das dann offen erwähnt, offen gesagt. Ein Vorstellungsgespräch mit drei Leuten. Einmal dem kommissarischen Schuldirektor, dann war einer vom Personalrat dabei und die Gleichstellungsbeauftragte. Und ich hatte keine Lust, keine Nerven, also ich dachte, ich würde keine Nerven dafür haben, mich zu verstecken. Deswegen habe ich einfach gesagt, was Sache ist.

Marco: Ich habe noch eine Frage. Hast du dann also in der Bewerbung erst mal das nicht angegeben, nur den Grad der Behinderung, wenn ich es richtig verstanden habe, und dann im Bewerbungsgespräch sozusagen dich dann offenbart damit?

Fabian: Da gibt es im Prinzip keinen Platz, um die konkrete Behinderung anzugeben.

Marco: Mh, mh.

Mirjam: Ist das so wirklich durch ein Formular gestaltet.

Fabian: Durch ein Formular gesteuert.

Mirjam: Hattest du ja gesagt.

Fabian: Wichtig ist dieses Formular vor allem für Leute, die mindestens 50 Punkte auf dieser Skala haben, weil man von da an als schwerbehindert gilt.

0:07:31

Marco: Ich habe deswegen gefragt, weil wir es häufiger im Elternkreis gehört haben, dass viele Leute, die sich bewerben und das zum Beispiel in einer Bewerbung schon angeben, nicht an Arbeit kommen, weil möglicherweise immer noch zu viele Vorbehalte verbunden mit Unkenntnis über Autismus darüber herrschen, dass die Leute, die Arbeitgeber, die künftigen sagen, ich weiß nicht, ob ich einen Autisten einstellen will. Und dann auch die Frage im Raum stand, ob es eine sinnvolle Strategie sein kann, zu sagen, ich mache erstmal eine formelle Bewerbung, ohne dass ich den Autismus dabei erwähne, um dann aber im Vorstellungsgespräch das zu bekunden und zu sagen, ja, das könnte sinnvoll sein, um mir gute, bestmögliche Arbeitsbedingungen zu bieten.

Fabian: Also ich hatte davor auch ein Vorstellungsgespräch in einer Schule in der Nähe von Hannover. Das hatte online stattgefunden, da waren sogar sechs Leute anwesend und da hatte ich das geäußert. Und da wirkten die eher interessiert daran. Die Gleichstellungsbeauftragte hatte dort auch erwähnt, dass sie wissen, dass sie einige autistische Schüler haben. Und dass sie das eher als Vorteil sehen würde. Und da hatte das aufgrund von komplizierter und unsinniger Formalia nicht geklappt, dass sie mich einstellen konnten. Dann war mein zweiter Versuch in Zeven und dort hatte ich das erwähnt. Und dort ist das mit Interesse entgegengenommen worden, diese Information. Aber es wirkte nicht so, als hätte das einen positiven oder negativen Effekt am Anfang gehabt.

Mirjam: Ist ja auch nicht schlecht, das einfach so hinzunehmen oder hingenommen, also zu empfinden, dass es im Grunde keine so wesentliche Rolle spielt, dass sie dich einfach haben wollen.

Fabian: Ja.

0:09:29

Aber das hängt auch alles damit zusammen, dass es heute eine andere Sicht auf Autismus ist. Früher hat man, wenn man Autismus hörte, dann dachte man an, die meisten dachten an den Film Rain Man, die Bruce Willis-Fans vielleicht an das Mercury-Puzzle oder im Original Mercury Rising. Und da hat man es mit schwerwiegenden Formen von Autismus zu tun und da schien es so, als hätten die Menschen die Vorstellung, Autismus ist etwas, das hat man, das hat man nicht, wie ein Kippschalter. Und seit es sich immer mehr durchsetzt, von einem Spektrum zu sprechen und seit in Filmen und Fernsehserien wie Sherlock, nenne ich da am liebsten, die Neuversion von der BBC mit Benedict Cumberbatch, da ist sogar in Folge 2.2 ausdrücklich gesagt worden, dass die Rolle das Asperger-Syndrom hat.

Marco: Ja, stimmt.

Fabian: Und das sorgt dafür, dass das Thema an die Öffentlichkeit kommt und dass die Menschen sehen, dass Autismus ein ziemlich breites Feld ist, ein Spektrum eben. Und das hilft zu verstehen, dass Autisten auch ein Leben ohne Betreuung haben können.

Marco: Ja, absolut.

0:10:50

Mirjam: Du meintest gerade, dass du das auch gesagt hast, weil du keine Lust hattest, keine Nerven hattest, das weiter zu verstecken oder überhaupt zu verstecken, dann an deiner künftigen Schule, dass du wolltest, dass sie es gleich wissen. Hast du das denn vorher durchaus versteckt und vor allen Dingen, was hast du dann vielleicht versteckt?

0:11:09

Fabian: Also man muss dazu sagen, ich habe meine Diagnose erst bekommen, als ich 25 war und zu der Zeit hatte ich auch, das hatte jetzt nichts mehr mit der Diagnose zu tun, aber mit Depressionen zu tun. War auch in Therapie. Und ja, ich dachte mir, warum soll ich mir Stress machen? Wenn jemand ein Problem damit hat, dass ich von Geburt an ein bisschen anders bin, dann… ja, dann können die mich mal, um mal… (Marco und Mirjam brummen bestätigend, Fabian lacht) Ich versuche nicht zu vulgär zu sein, sonst wären mir noch andere Worte eingefallen (Marco lacht). Aber ich wollte mich nicht verstecken, ich wollte ein freies Leben führen, wo ich mich entwickeln, entfalten kann.

0:11:58

Marco: Ich glaube, das ist auch gut und wichtig, in diese Haltung zu kommen, weil das Verstecken ja eben auch, so hatten wir es ja auch in der zweiten Folge mal gehört, von Martin Kolliwer, ja extrem anstrengend sein kann. Wo sich einige ja schon ins Burnout, ne, da hat er es genannt maskiert haben. Dieses Maskieren ist ja dieses Versteckspielen. Und letztlich ist es ja auch vor Arbeitgebern sinnvoll, möglichst transparent zu sein mit allem, was man mitbringt.

0:12:28

Fabian: Ich glaube, das wäre vor 20 Jahren noch nicht so möglich gewesen, da wären die Reaktionen noch anders gewesen.

Marco: Klar, klar.

Fabian: Weil zu wenig über Autismus bekannt war. Und da muss man im Prinzip die ausländischen Forscher und die Medienleute, die Autisten zu Film- und Fernsehhelden… ja denen danken. Das sind die Briten, die Skandinavier und Amerikaner. In Deutschland hat es lange gedauert, Annette, mir fällt der Name nicht mehr ein, aber Annette Frier…

Marco: Ella Schön.

Fabian: …spielt zum Beispiel, genau. Und das hat in Deutschland sehr lange gedauert, bis es da mal einen autistischen Fernsehhelden oder eine autistische Fernsehheldin gab.

Marco: Ja und jetzt gab es noch kürzlich den Film der Wochenendrebellen von dem Jungen, der mit seinem Vater nach seinem Lieblingsverein guckt. Den kennst du bestimmt auch.

Fabian: Ich habe den nicht gesehen, aber ich glaube das Florian David Fitz spielt den Vater.

Marco: Ja, richtig.

Fabian: Und das ist eine wahre Sache, die dort verfilmt wurde.

Marco: Die beiden haben auch einen Podcast, die nennen sich die Radiorebellen oder der Radiorebell und die hatten, die beiden hatten tatsächlich auch ein Cameo-Auftritt innerhalb des Films.

0:13:37

Mirjam: Fabian, mit dir haben wir heute so eine tolle Gelegenheit, auf ein riesiges Thema, aber durch eine sehr persönliche Perspektive zu gucken, eben das Thema Schule, weil du ja gleichzeitig als Lehrer dann sagen kannst, wie läuft es in der Schule für autistische Schüler und andererseits ja durch deine eigene autistische Perspektive auch darauf zurückschauen kannst, wie war es bei dir in deiner Schulzeit? Also das würde mich total interessieren, was du heute anders machen willst. Du hast vorhin gesagt, dass dieser Gedanke, Lehrer könnte was für mich sein, entstanden ist durch den Kontakt mit deinen Neffen.

Fabian: Ja.

Mirjam: Und hat sich das denn, also was genau war das denn da, was dir da dran Freude gemacht hat, also dass dann diese innere Motivation entstanden ist?

Fabian: Ja, es war einfach der Umgang mit Kindern und in einer Familie mit viel Kontakt zu meinen Brüdern, da auch im Prinzip wenigstens am Rande Teil der Erziehung zu sein. Und ja, vorher hatte ich nicht daran gedacht, Kinder zu unterrichten, ich konnte mir früher nur vorstellen, wenn überhaupt, zu unterrichten an einer Universität und ja, ich hatte auch vorher keine Erfahrung, hatte nie irgendwelche Volksschulkurse oder so gegeben. Ich hatte einmal in einer Sonderaktion, war so eine Protestaktion an der Uni Bremen gegen.

0:15:13

Kürzungen in den Geisteswissenschaften, da gab es so eine 24-Stunden-Vorlesung. Das waren größtenteils Professoren, die dort Vorträge gehalten hatten, jeweils eine Dreiviertelstunde, dann eine Viertelstunde Pause und ich war einer von zwei Studenten, die dann was gehalten hatten. Da hatte ich um 4 Uhr morgens einen Vortrag über funktionalen Autismus in einem der Hörsäle in der Bremer Uni gehalten.

Mirjam: Krass, 4 Uhr morgens. Und warum warst du einer von den beiden? Also musstest du dich da regelrecht für bewerben oder wollte sonst keiner? (schmunzelnd)

Fabian: Um ehrlich zu sein, kann ich mich nicht mehr so wirklich daran erinnern, wie es dazu gekommen ist. Ich vermute mal, dass das über den Stura, in anderen Universitäten heißt das Fachschaft, dass das darüber war. Aber ich kann mich daran jetzt auch nicht mehr erinnern, wie es zustande gekommen ist. Meine Mitstudenten, mit denen ich in der Fachschaft war, die wussten das auch alle. Also da war ich schon offen damit umgegangen.

Mirjam: Okay, das heißt, du warst in der Fachschaft auch engagiert, also politisch engagiert an der Uni?

0:16:27

Fabian: Politisch engagiert nicht, aber in der Fachschaft ging es mehr darum, Sachen zu organisieren für die Erstsemester und so als Vermittler zu dienen, wenn es Probleme zwischen Studenten und Dozenten zum Beispiel gibt und solche Sachen, aber das war jetzt keine Fachschaft, die irgendwie politisch geprägt war oder so.

Mirjam: Und hat dich der organisatorische Teil da dran oder auch dieser vermittelnde Teil gereizt?

Fabian: Es war mehr, Kontakte zu knüpfen, also zu Mitstudierenden. Es ging mir nicht darum, da jetzt reinzugehen, um irgendwas zu bewirken. Ich sah es einfach als Möglichkeit, ein paar Leute kennenzulernen und wollte das versuchen. Da habe ich mich wohlgefühlt und deswegen war ich den Großteil meines Studiums in der Fachschaft.

0:17:27

Mirjam: Warst du in der Schule auch schon so gruppendynamisch unterwegs?

Fabian: Erst in der Oberstufe, da war ich in der Schülervertretung und einmal, es müsste die zwölfte Klasse gewesen sein, war ich sogar Vize-Jahrgangssprecher. Aber das nur, weil es waren vier Bewerber, zwei Neulinge, ein Mädchen und ich. Und die anderen beiden hatten sich wie Möchtegern-Diktatoren im letzten Jahrgang aufgeführt als Jahrgangsleiter. Und deswegen hatten wir aus Protest die Stimmen bekommen, die mich zum Vize-Jahrgangssprecher gemacht hatten. Und da war ich dann in der Schülervertretung mit drin.

Mirjam: Hat dir das Selbstbewusstsein gegeben?

Fabian: Äh, naja, also auf der einen Seite wusste ich, dass das nur Proteststimmen waren. Und auf der anderen Seite, ähm, ja, konnte ich dann zwei Freundschaften schließen in der Schülervertretung.

Mirjam: Da hat es so ein bisschen einen Klick gemacht und das hast du dir bis heute bewahrt, dass du dich gerne für andere engagierst und also dadurch, dass du in diese Rolle geraten bist so ein bisschen?

0:18:38

Fabian: Im Prinzip da waren keine edlen Motive dabei, dass ich das gemacht hatte. (Mirjam lacht). Es war einfach nur der Versuch, da in irgendwelche Gruppen reinzukommen.

Mirjam: Okay.

Fabian: Weil ich da auch immer noch Probleme hatte.

0:18:50

Marco: Ja, was ja völlig legitim ist. Ich habe Interessen, ich möchte in Gruppen reinkommen und dann stelle ich mich zur Wahl. Aber so ein bisschen klingt es ja auch, zum Beispiel in Bezug auf deinen Vortrag, den du da früh um vier gehalten hast, dass du schon ein Faible dafür hast, etwas Leuten zu vermitteln. Dann hast du das entdeckt, dass du das mit deinen Neffen auch ganz gut kannst. Das ist vielleicht so die Hinführung zu deinem Lehrerberuf.

0:19:14

Fabian: Also mein Beitrag bei der 24-Stunden-Vorlesung, da wollte ich das wirklich, über Autismus sprechen, da ging es mir wirklich darum, etwas zu tun.

Marco: Ja, ja.

0:19:23

Fabian: Und da war also die Motivation schon mal ganz anders. Und da hatte ich zum Beispiel einen Einstieg gemacht, wo ich Fotos von Film- und Fernsehcharakteren gezeigt habe. Sherlock Holmes, Lisbeth Salander, die entweder klar autistisch sind oder vermutlich autistisch sind, gemischt mit Prominenten wie Antony Hopkins und anderen. Und da hatte ich einen ziemlich guten Einstieg gebracht. Und da konnte ich dann auch, kam es auch zu ertragreichen Diskussionen, selbst zwischen 4 Uhr und 4.45 Uhr am Morgen.

Marco: Und Antony Hopkins gehört auch dazu, das wusste ich noch nicht.

Fabian: Antony Hopkins hat es in einem Interview gesagt, dass seine Frau ihm das sehr deutlich gesagt hat und auf die Frage, ob er sich eine Diagnose geholt hat, hat er gesagt: „Ich bin zu alt, um mich da um sowas zu kümmern.“

Marco: Naja, interessant. Ich weiß nur zum Beispiel von einer anderen Schauspielerin, Daryl Hannah.

Fabian: Genau, sie hat, glaube ich, sogar richtig eine Diagnose bekommen.

0:20:37

Mirjam: Wollen wir noch kurz bei der Unizeit bleiben, sonst ich würde… du hast gesagt, du hast ja dann dort die Fächer studiert, also hast zum ersten Mal das gemacht, „was mich wirklich interessiert“, hast du glaube ich vorhin gesagt. Und von dem anderen ist mir in Erinnerung geblieben: „Das war eine totale Katastrophe.“

Fabian: Ja, also mit Informatik bin ich überhaupt nicht klargekommen, ich habe mich da eingeschrieben. Es war zulassungsfrei und Informatiker werden gebraucht. Das war so die Motivation, das war letztlich eine schlechte Motivation. Und dann war ich danach auch mit Depressionen in Therapie und habe dann die Entscheidung getroffen, so was mache ich nicht mehr. Und deswegen bin ich bei Geschichte gelandet und hatte dann noch Geografie als Nebenfach oder Komplementärfach, wie das heutzutage heißt, studiert. Und im Master dann nur noch Geschichte. Da habe ich versucht, ein bisschen in Richtung Disability History zu kommen.

0:21:35

Marco: Das war nochmal eine Frage, die mir vorhin aufging. Disability History heißt also in dem Sinne die Geschichte von Menschen mit Behinderung im Verlaufe der Zeit?

Fabian: Ja.

Marco: Also wie man mit dem im Mittelalter umgegangen ist bis heute.

Fabian: Genau. Meine Bachelor-Arbeit zum Beispiel war über den Glöckner von Notre Dame als Beispiel eines behinderten Menschen des Spätmittelalters. Das war ein Vergleich zwischen der Fiktion aus dem Roman von Victor Hugo und den ganzen Verfilmungen, die es gibt. Ein Vergleich mit der Realität, wie die Situationen damals waren. Und meine Masterarbeit war über einen Bremer Verein, Autismus Bremen e. V., einen Elternverein, der sich 1972 gegründet hat.

Marco: Mein Arbeitgeber. (Mirjam schmunzelt)

0:22:27

Fabian: Weil, also von Eltern ist der wirklich gegründet worden, größtenteils, weil sie autistische Kinder hatten, aber damals war die psychologische Forschung in Deutschland in Sachen Autismus eine absolute Katastrophe, während die Skandinavier, Briten und Amerikaner einen Fortschritt nach dem anderen machten. Da wurden auch Fehler gemacht, aber sie haben im Prinzip das vorangebracht, was dafür gesorgt hat, dass die Situation heute nicht perfekt, aber besser ist als früher.

0:23:04

Marco: In Schweden war es, glaube ich, Gilberg, der das ein bisschen vorangebracht hat. Ich weiß nicht, ob das noch schon in der Zeit oder erst später war. Aber von Gilberg gibt es ja einige wesentliche Werke. Und, ich weiß nicht, in England Lorna Wing, die dann ja letztlich auch die Beschreibung von Hans Asperger noch mal wieder ein bisschen mehr ins Bewusstsein gerückt hat.

0:23:25

Fabian: Ich glaube jetzt für die meisten Menschen wird vor allem Tony Attwood wichtig sein, der ist ich glaube Brite, aber in Australien arbeitet er. Weil er Bücher schreibt, die nicht für Wissenschaftler und Kollegen sind, sondern für die Allgemeinheit.

Marco: Stimmt.

Fabian: Die man lesen kann, ohne Uni-Abschlüsse haben, wobei das bei angelsächsischen Forschern nicht so schlimm ist wie bei deutschen Wissenschaftlern und vor allem meine Historikerkollegen, die bekannt dafür sind, sich unnötig kompliziert auszudrücken und die ein Fabel für unnötige Fremdwörter haben.

0:24:05

Mirjam: Was meintest du denn mit, das war in den 70ern, als sich Autismus Bremen gegründet hat, „eine Katastrophe in Deutschland“? Also was genau kritisierst du? Was hat da noch gefehlt?

Fabian: Also in anderen Ländern fing es schon an, dass sie bemerkten, es gibt nicht extrem autistisch und in Anführungsstrichen ‚normal‘. Also da fingen die langsam an zu begreifen, es gibt auch den ganzen Bereich dazwischen. Aber wenn ich an die Interviews denke, die ich zum Beispiel mit dem Gründer von Autismus Bremen e.V. geführt habe und was ich von den anderen Gründungsmitgliedern gelesen habe, die haben alle Kommentare von Ärzten und Psychologen bekommen: „Ihr Kind wird schon wieder, Sie sind ja eine gebildete Familie“ oder „Das verwächst sich quasi.“ Und es wurde gar nicht erkannt, die Kinder haben eine Form von Autismus, etwas was angeboren ist, wo man ein bisschen Hilfe geben kann in manchen Dingen, während manche Dinge akzeptiert werden müssen. Diese Erkenntnis war einfach nicht da und bei meinen ganzen Recherchen konnte ich das sehen, wenn ich britische oder amerikanische Berichte gelesen habe und dann deutsche Berichte. Da ist ein viel größeres Verständnis zu erkennen gewesen bei amerikanischen und britischen Forschern. Da hat es teilweise auch in den USA schlimme Experimente mit Elektroschocks an Autisten gegeben und sowas, aber wenn man das Gesamte betrachtet, hinkt Deutschland wirklich hinterher.

0:26:02

Marco: Ja, ich glaube in den USA wurde dann, bin mir nicht mehr ganz sicher seit wann, ob das schon in den 70ern anfing oder erst in den 80ern, ja auch dieses Konzept von TEACHH entwickelt, die ja noch viel spezifischer auf die Bedarfe der autistischen Menschen eingingen, wie sie Unterstützung bekommen in den Strukturierungen der ganzen Fördersituationen und so weiter. Also TEACHH ist ja eben ein Konzept, um eben Fördersituationen zu strukturieren im räumlicher, in zeitlicher Hinsicht, aber auch in der Handlungsplanung. Und es ist eben ein Akronym für Umgang mit kommunikationsbeeinträchtigten und autistischen Menschen. Ich habe jetzt die Bezeichnung auch nicht mehr ganz, also Treatment… ja ich kriege es nicht zusammen. Beschämend als Autismus-Therapeut (lacht), dass man das nicht zusammenkriegt, aber das kann man ja nachlesen. Das hat…

Mirjam: Äh, du kannst….

Marco: …Anne Häusler nach Deutschland geholt.

Mirjam: Du sitzt vor den Büchern, du kannst gucken, ob es da das oberste, guck mal, da haben wir doch, das rote oben, über der Genialen Störung von Steve Silverman.

Marco: Ach da, da müsste ich aufstehen, das würd sehr viel Geraschel geben.

Mirjam: Wir schreiben es in die Shownotes.

Marco: Jaja, was Teach heißt, ja.

0:27:19

Mirjam: So. Also, du hast im Studium im Grunde zu Autismus geforscht, dann in deiner Masterarbeit. Du warst motiviert, ja, also du wolltest was beitragen.

Fabian: Ja, denn das hing auch mit meinen Erfahrungen zusammen und der Wut, die ich auf meine Schulzeit hatte, dass sowas langsam aufhören muss. Ich… in der siebten, achten Klasse, Pubertät im Höchstmaß, da wird das ja manchmal richtig schlimm, so die Schwächeren, auf denen wird rumgehackt, vor allem Leute, die Ironie, Sarkasmus, Humor wie eine zweite Fremdsprache lernen und damit Probleme haben, die sind natürlich die perfekten Opfer. Vor allem, wenn sie sich nicht zur Wehr setzen. Und auf Elternabenden haben meine Eltern dann solche Sprüche zu hören bekommen, von erfahrenen Lehrern: „Ja äh, Fabian fügt sich nicht in die Klassengemeinschaft ein und ist damit letztlich selbst schuld.“ (Mirjam schnaubt) Und das ist, ich muss überlegen, ich bin 86 geboren, 97 kam ich auf die Mittelschule, also das war 99 bis 2001, da wo ich so Probleme hatte durch das Mobbing gegen mich und wo die Lehrer überhaupt nichts getan haben. Und das ist so eine Situation, wenn immer auf einem rumgehackt wird, dann kann man irgendwann in einen Bereich getrieben werden, wo man nur zwei Möglichkeiten zur Auswahl hat, nämlich alles auf sich eingehen lassen, was letztlich zu Depressionen führt oder die Wut richtet sich nicht nach innen, sondern nach außen. Dann kann es auch zu extremen Situationen kommen. Und wenn Mobbingopfer dann irgendwann so viel Frust anbauen, dass sie in einem gewaltigen Ausmaß zurückschlagen. Bei mir war es jetzt die andere Sache, das in sich hinein Fressen, was dann halt jahrelange Depressionen ausgelöst hatte.

0:29:36

Mirjam: Mit 25 hast du die Autismus-Diagnose bekommen? Und die Depressionsdiagnose? Wie alt warst du da?

Fabian: Da war ich auch 25, das war quasi zeitgleich. Und da bin ich freiwillig in eine Klinik gegangen auf Anraten eines Neurologen aus Weyhe und meiner Eltern, damit ich eine Auszeit habe und behandelt werden kann. Allerdings bin ich da auf Depressionen behandelt worden und dort war das dann auch nicht so… war Kenntnis über Autismus unter den Therapeuten auch nicht sehr verbreitet. In der Zeit, wo ich da war, gab es einen Schockmoment für einen anderen aus der Gruppe, da hatte sich der Vater umgebracht. Und weil ich einmal irgendwie versucht hatte, ihn zu trösten und weil ich in der Gruppentherapie gesprochen hatte, meinten sie: „Herr Bianchi, Sie können nicht autistisch sein, Sie können ja mit uns kommunizieren!“ Und solche Sachen.

0:30:45

Marco: Ja, das sind dann wieder diese alten Gegenklischees, die dann aufgetan werden: Wie, du bist Autist? Das sieht man dir gar nicht an! Jaaa, man sieht Autismus nicht von außen! Und eben auch dieses: Was? Du sagst, du sprichst doch mit uns! Oder was gibt es noch für Gegenklischees: Du schaust uns ja in die Augen! Die meisten schauen eher auf die Stirn oder anderswohin. Und du lächelst doch! Oder: Du verstehst Witze, oh, du kannst kein Autist… Also all sowas und dann wird das gleich so gegenargumentiert.

0:31:17

Und interessanterweise, als du vorhin sagtest, das verwächst sich, dass die Eltern sowas gesagt bekommen, bei solchen doch tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, das bekommen manche Eltern tatsächlich heute noch zu hören. Weil es immer noch so viel Unkenntnis auch unter den Kinderpsychiatern und Psychologen gibt. Und das ist sehr frappierend, dass so wenig Informationen auch in den Studiengängen nach wie vor verbreitet wird. Ich werde jetzt demnächst wieder in die Uni eingeladen zum Studiengang Master Inklusive Pädagogik oder so ähnlich, um dort eben über Autismus zu sprechen, weil das eben so wenig Verbreitung hat.

0:32:04

Mirjam: Also, du hast dann in der Klinik noch keine Autismus-Diagnose bekommen, oder?

Fabian: Also, es fing an: Ja, Probleme mit Depressionen. Und meine Eltern hatten, meine Mutter war das, glaube ich, die hatte mit einem gemeinsamen Hausarzt drüber gesprochen – also, wenn ich Manni sage, er ist ein militanter Duzer gewesen (Mirjam schmunzelt), der hat sich allen Menschen nur als Manni vorgestellt. Und Manni hatte ihr gesagt: „Vielleicht mal zum Neurologen gehen, wenn da auch andere Verhaltensauffälligkeiten sind und Zwänge.“ Und dann war das ein Neurologe, der hatte gesagt: „Ja, es sieht für mich aus, in Richtung leichte Form von Autismus, aber“, und das ist etwas, was ich selten von einem Psychologen oder Neurologen gehört habe, „holen Sie sich besser eine zweite Meinung, weil das ein kompliziertes Feld ist.“

0:33:02

Mirjam: Und das war vor dem Klinikaufenthalt?

Fabian: Das war vor dem Klinikaufenthalt. Und da hatte ich dann auch angefangen, in Bücherläden nach Büchern zu gucken, habe dann auch Tony Attwood entdeckt. Also das hat sehr geholfen, weil wir uns damit nicht auskannten. Gut, dann hat er mich in eine Klinik geschickt. Da wurden dann so Ankreuztests gemacht: Wie sehr trifft dies und das auf Sie zu.

0:33:32

Mirjam: Wahrscheinlich so eine ADOS-Skala heißt die, ne, Marco?

Marco: Vielleicht das. Oder die Baron-Cohen-Tests, die zwar keine Diagnostik-Elemente sind, aber zumindestens schon mal so ein Vorscreening sind, um den Verdacht zu erhärten, mit diesem Autismus- und Systematisierungsquotienten.

0:33:48

Fabian: Und die haben gesagt: „Ja, wir würden das bestätigen, was der Neurologe aus Weyhe gesagt hat.“ Und dann kam das mit den Depressionen. Da bin ich in die gleiche Klinik gekommen, wo sie gesagt haben, „Herr, Bianchi, Sie sind leicht autistisch.“ Wo auf der Station, die auf Depressionen spezialisiert war, ich diese Sprüche zu hören bekommen habe, wie: „Sie kommunizieren ja mit uns! Sie weichen nicht jedem Augenkontakt aus! Sie können nicht autistisch sein!“

Mirjam: Und wie bist du dann da raus? Also hast du dich gewehrt?

Fabian: Ich weiß noch, ich habe dann gefordert, dass es in den Abschlussbericht reinkommt, dass ich mit der Negativdiagnose nicht einverstanden bin und habe mir dann nochmal eine Diagnose bei einer Bremer Neurologin geholt.

0:34:42

Mirjam: Wie äußert sich denn dein persönlicher Autismus bei dir?

Fabian: Also erst mal so diese typischen Klischees, wie dass Autisten keinen Humor verstehen, Sarkasmus und so weiter. Das ist zum Beispiel so eine Sache, es war als Kind bei mir wirklich extrem. Und es ist, ich hatte schon das Beispiel gebracht, ich hatte… dieser Lernprozess war ähnlich, wie wenn man eine Fremdsprache lernt, so war das für mich. Ich konnte vielleicht versuchen, etwas zu lernen, an der Mimik von Menschen zu erkennen, deswegen habe ich später auch so gerne Lie to Me geguckt, eine amerikanische Krimi-Serie mit Tim Roth.

Marco: Wo dann an der Mikro-Mimik so ein bisschen studiert wurde, lügt der jetzt oder lügt der nicht, ja.

Fabian: Genau. Und das muss ich wie eine Fremdsprache lernen. Dann gewisse neurotische Zwänge, also nichts, was mich in irgendeine Gefahr bringt. Wenn man jetzt zum Beispiel Zwänge sieht, wie Sachen in einer Reihenfolge zu essen, mit dem gleichen Fuß bei einer Treppe oben oder unten anzukommen, solche Zwänge, die keinen Sinn ergeben, aber sich irgendwie in mir manifestiert hatten.

Mirjam: Und wenn du es nicht ausführst, gerätst du dann in Panik oder…

0:36:10

Fabian: Nee, Panik nicht, aber…

Marco: Sicherheit, ne?

Mirjam: Denn das unterscheidet…

Fabian: Das ist ein Unwohlsein.

Mirjam: Damit haben wir uns auch mal beschäftigt, auch im Elternkreis, zu unterscheiden, weil viele autistische Kinder auch so zwanghaftes Verhalten zeigen. Aber der Unterschied zu einer, es gibt ja auch Zwangserkrankungen, ist, habe ich gelernt, dass es eben wirklich bei einer immensen Zwangserkrankung ein Leidensdruck ist, man muss das dann wieder und wieder und wieder machen und dann der Zwang verselbstständigt sich. Und wenn er sich nicht verselbstständigt, sondern einfach nur zur allgemeinen Struktur des Wohlseins gehört, du musst das tun, damit es dir weiter gut geht, aber es passiert nicht eine Katastrophe, wenn du es nicht tust, das wäre dann der feine Unterschied.

Marco: Sicherheitgebende Strukturen oder Routinen, die im übersteigerten Sinn zum Zwang werden können. Wenn du dann, weil du vielleicht nicht die Treppe mit dem gleichen Fuß anfängst, in völlige Panik verfallen würdest, dann wäre es eine Zwangsstörung. Aber so ist es eine Sicherheit gebende Struktur wenn du es nicht tust dann wie du sagst.

Fabian: Das sind dann sicherheitsgebende Strukturen gewesen, aber in ganz unterschiedlichen Bereichen. Auch meine Interessen gingen sehr in den Bereich, also so sehr im Bereich Statistik, ich habe solche, ich habe komplette Systeme entwickelt als Kind, wie man Tennis-, Fußball-Turniere mit unterschiedlich starken Mannschaften auswürfeln kann. Ich habe mich mit solchen Sachen beschäftigt, während andere draußen waren und Fußball selbst gespielt haben.

0:37:43

Mirjam: Auswürfeln, damit die Mannschaft besonders stark ist oder damit jeder dran kommt?

Fabian: Nee, ich habe die Ergebnisse einfach ausgewürfelt.

Marco: Also nach den Wahrscheinlichkeiten.

Fabian: Von Turnieren, von Tennisturnieren, von Fußball-Weltmeisterschaften.

Mirjam: Verstehe ich nicht ganz. Auswürfeln ist ja Zufall, was hat das jetzt mit Statistik zu tun?

Fabian: Äh, nun ja (Mirjam lacht). Ich habe genaue Statistiken darüber geführt als Kind…

Mirjam: Wie Turniere ausgegangen sind?

Fabian: Turniere, aber nicht wie sie in der Realität ausgegangen sind.

Mirjam: Ach so!

Fabian: Wie diese Simulationen, wo ich Würfelsysteme ausgesucht habe, äh, entwickelt habe.

Mirjam: Ah, also du hast fiktive Mannschaften in eine Tabelle geschrieben und mit dem Würfel fiktive Ergebnisse…

Fabian: Nee, die Ergebnisse waren fiktiv. Die Mannschaften oder so waren real.

Mirjam: Okay.

Fabian: Aber ich habe mir Systeme entwickelt, die immer komplizierter wurden, sodass die Mannschaften unterschiedliche Stärken hatten und ich trotzdem nicht allzu viel würfeln musste. Solche Statistiken, Zahlen hatten mich viel mehr interessiert als das, was die anderen toll fanden.

0:38:45

Marco: Und auch das ist ja letztlich etwas, also wenn du dich mit Statistik beschäftigst, etwas was du eben ja in dem Sinne, auch wenn die Würfel möglicherweise zufällig fallen, aber alles das, was du dann dazu aufschreibst, notierst, sind ja auch objektiv festlegbare Dinge und vorhersehbare Dinge, die auch wiederum Sicherheit geben können. So denke ich immer auch über spezielle Interessen. Also alle Spezialinteressen sind ja immer Sicherheitsräume, die sich Menschen im Spektrum, manchmal auch außerhalb des Spektrums, selbst geben, weil sie sich darin gut auskennen und sagen: Jo, hier kann ich was drüber erzählen.

0:39:27

Fabian: Und weil ich halt Menschen, spät verstanden habe, wenn nichts wirklich eindeutig war, da hatte ich irgendwie mehr Bezug zu den Hunden in der Familie als zu Menschen da draußen.
Ich hatte leichte Probleme in der kindlichen Entwicklung mit der Motorik auch. Als dann dieser Schuleignungstest war, wie auch immer das heißt, wenn die Kindergartenkinder hingehen um zu sehen, dürfen sie oder sollen sie im nächsten Jahr hingehen, sagten sie, weil ich mit dem rechten Arm nicht an das linke Ohr kam, solche Sachen, dass ich nicht bereit sei für die Schule. Meine Motorik sei nicht ausreichend entwickelt.
0:40:09

Ja, und dann, ja, eine Angst davor, dass sich Strukturen ändern. So, wenn sich Sachen in meiner Kindheit geändert hatten, hatte ich extreme Anpassungsprobleme. Wie, ich glaube, eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen war, als ich aufhören sollte, so diese Nuckelflasche zu haben. Ich war ein Kleinkind. Ich weiß noch, dass ich nicht verstehen konnte, warum. Warum ging nicht mehr das, was vorher in Ordnung war? Und ich weiß noch, das ist ein richtiger Kampf gewesen. Ich weiß, in einem Fotoalbum, irgendwo bei meinen Eltern zu Hause, ist ein Foto, wie ich feierlich die Nuckelflasche in diese schwarze Restmülltonne fallen lasse. Haben meine Eltern sogar fotografiert.

Mirjam: Aber bestimmt für deine Eltern eher ein feierlicher Moment als für dich?

Fabian: Irgendwie hatten sie mich überzeugt, aber das ist zu lange her.

Marco: Ja, aber das brauchte dann vielleicht auch diesen Vorlauf, dass sie dich überhaupt überzeugen konnten. Weil, diese Schwierigkeit oder diese Flexibilitätsschwierigkeiten mit Veränderungen ist ja eines der zentralen Diagnostikmerkmale für Menschen im Spektrum. Was du damals natürlich nicht wusstest, aber jetzt wo du es beschreibst, klingt das ja wie fast aus dem Buch entnommen. Diese Veränderungsschwierigkeiten, dieses spezielle Interesse für Statistiken und auch diese Vorfälle mit den Schülern, die dich da gemobbt haben.

0:41:55

Fabian: Und im Bereich der Sensorik, da gibt es halt auch Auffälligkeiten, gewisse Aromen und Geschmäcker, die nehme ich viel stärker wahr und deswegen können bei mir viel mehr Sachen wirklich Ekel auslösen.

Marco: Weil die Intensität so hoch ist.

Fabian: Ja, in meinem Fall, bei fester Nahrung hatte ich das einmal, dass ich nicht in der Lage war, als Erwachsener etwas runterzuschlucken. Das war irgendwas mit grünen Oliven drin. Das habe ich irgendwie so intensiv wahrgenommen. Das hat so einen Ekel in mir ausgelöst. Also eine typische Sache die die meisten Menschen mögen und in mir löst das eine absolute Abscheu aus.

Marco: Ja, was ja auch ein Merkmal von Autismus sein kann, nicht muss, aber dass dann bestimmte selektive Essgewohnheiten entstehen oder eben Abneigungen gegen bestimmte Konsistenzen oder wie du sagst Geschmäcker.

Fabian: Ja, das sind bestimmte so Aromen wie von… ich mag scharfe Sachen, aber das Aroma von Pfeffer mag ich nicht so gerne. Und das ist so ein Beispiel und ja, das sind einige so kleinere Sachen dort, aber das sind immer Sachen, die irgendwelche Aromen oder Geschmäcker, die ich intensiver wahrnehme. Und ja, und an Essgewohnheiten, immer noch der Zwang, das alles getrennt zu essen, das leckerste zum Schluss, damit die Aromen länger drin bleiben.

Mirjam: Sind daraus Konflikte entstanden, zum Beispiel am Abendbrotstisch mit den Eltern und Geschwistern?

Fabian: Manchmal.

Mirjam: Dass du dann dich geweigert hast, was zu essen?

Fabian: Ja.

Mirjam: Und wie haben deine Eltern dann reagiert?

Fabian: Ja, sie konnten nicht verstehen, dass ich Sachen nicht mochte, die sie mochten.

Marco: Hmm.

Mirjam: Da sieht man mal wieder, dass das ganze Umfeld wirklich auch mal versuchen muss, die Perspektive zu wechseln.

0:44:09

Marco: Es einfach anzunehmen. Das ist ja immer diese Schwierigkeit, also auch gerade aus dieser Unkenntnis, die vielleicht eben deine Eltern ja auch hatten, woher sollten die wissen, dass du A, ein Kind im Spektrum bist und B, dann eben Menschen im Spektrum eben auch bestimmte Vorlieben und Abneigungen gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln haben. Und das ist ja eben auch sehr unterschiedlich gestreut, weil auch Menschen sind sehr variabel, äh Eltern meine ich, Eltern sind auch Menschen, klar (Mirjam schmunzelt). Ähm, dass sie dann entweder eine grundsätzliche Annahmebereitschaft haben, sagen, okay, unser Kind mag das und das nicht oder sagen, das kann doch nicht sein, das mögen wir doch auch, also musst du es auch mögen.

Fabian: In der Regel haben sie dann am Ende versucht, auf mich anzureden, aber das war es dann auch schon. Also es wurde nichts mit Gewalt in mich hineingezwungen..

Marco: Nee, klar, das ist gut.

Fabian: Wenn man etwas nicht mag, mag man etwas nicht.

0:45:05

Marco: So ist es ja eben ja aber es gibt da ja durchaus auch Szenen, ich weiß noch, ich weiß nicht ob das in westdeutschen Kindergärten, weil ich kenne Szenen aus dem ostdeutschen Kindergarten, dass wir wirklich manchmal genötigt wurden, Dinge bis zum Schluss aufzuessen, vorher wurde nicht aufgestanden. Und dann haben manche Kinder auch wieder ihr Essen erbrochen, weil sie einfach so unter Zwang Dinge aßen, die sie nicht mochten. Und das ist eigentlich rückblickend und auch perspektivisch eine grausame Szene oder eine grausame Situation, sich das vorzustellen.

Fabian: Bei einem meiner Brüder war das glaube ich mal im Kindergarten, der ist nicht rechtzeitig aus dem Kindergarten gekommen oder er war noch nicht draußen, als meine Mutter kam. Und der Grund war, er hatte noch nicht sein Mittagessen aufgegessen, das war irgendwas, was er nicht gemocht hatte. War glaube ich der mittlere von uns Brüdern. Und da hat, ja man könnte sagen, ich glaube meine Mutter war das, die hat der Kindergärtnerin einen verbalen Einlauf verpasst. Und es wäre noch ein etwas theatralischer Weg gewesen, wenn mein Vater es gewesen wäre, weil er damals Polizist war.

Marco: Ah ja.

Fabian: Wenn er ihn damals hätte abholen müssen.

0:46:22

Mirjam: Du hast mir im Vorgespräch erzählt, dass dein Vater Polizist war und dass er dann später wegen Rückenproblemen den Beruf nicht mehr ausüben konnte. Und dann hätten deine Eltern einen Laden aufgemacht und haben was vollkommen anderes gemacht: Glaskunst, Tiffany-Glaskunst.

Fabian: Ja, also im Prinzip unterschiedlich farbene Gleisteile, die mit Zinn zusammengelötet werden. Daraus entstehen kleine oder große Sachen.

Mirjam: Hatten deine Eltern diesen Laden schon in deiner Kindheit, also wann war das?

Fabian: 1990, als ich 4 war.

Mirjam: Ja. Dann bist du bist du da also auch mit – deswegen gehe ich überhaupt darauf ein – also damit auch groß geworden dass du hast bestimmt auch in dem laden Zeit verbracht oder zugeguckt.

Fabian: Ja, der ist auch im Haus drin gewesen. Erstmal war das noch zu klein für drei Söhne und einen Laden, da hatten wir im Prinzip kein Wohnzimmer mehr. Und dann sind wir ein paar Jahre danach, 1993, eine Straße weitergezogen, weil da ein Haus, wo früher mal ein Bäcker drin war, frei war.

Mirjam: Durftest du da als Kind mithelfen oder hast du zugeguckt?

Fabian: Das Problem ist, das sind scharfe Gläser. Und auch wenn dort gerade nur die fertig geschliffenen Teile mit Kupferfolie ummantelt werden, was eigentlich nicht gefährlich klingt, können dort immer an den Plätzen noch irgendwelche Glassplitter liegen. Und ein motorisch nicht ganz fittes vier- oder fünfjähriges Kind dabei am Tisch zu haben, ist nichts Gutes.
Und in meinem Studium, als ich 25 war und es kein Kindergeld mehr gab, da habe ich dann als Ersatz im Laden meiner Eltern ausgeholfen. Da hatte ich dann einige Stunden in der Woche als Ersatz für das Kindergeld in der Anfertigung gearbeitet. Also das Ummanteln mit der Folie und das Schleifen, das hatte ich gemacht.

Mirjam: Und hast dir damit dann dein Studium mitfinanziert?

Fabian: Gewissermaßen, ja..

0:48:30

Marco: Die Beschäftigung mit Autismus und dann deinem Vortrag, den du in der Uni gegeben hast, das kam alles nach deiner Diagnose, ne? Weil du dann gemerkt hast….

Fabian: Nach meiner Diagnose. Das war, als ich schon Geschichte studiert habe. Wenn man bedenkt, dass das Wissen über funktionale Formen von Autismus, also Autisten, die nicht auf Pflege angewiesen sind, die in Anführungsstrichen ‚im normalen Leben sind‘, da wusste man ja gar nichts. Also in den 90ern und in den frühen Nullerjahren, da war gar nichts da.
Und wenn man jetzt an die Schulen denkt, die erste, wo ich aus gewissem Formalia ja nicht übernommen werden konnte, obwohl sie es eigentlich wollten, da hatten die schon mal Interesse gezeigt und dann in Zeven. Da war das so recht früh im Jahr, wurden noch Aufsichtsleute für eine Klassenfahrt gebraucht und da war ich mit und wegen, wurde ich dann aufgeklärt, Schüler X könnte in gewissen Situationen anders reagieren. Das hat diesen Grund: Asperger-Syndrom. Und dann hatte ich der Kollegin gesagt, dass ich selbst diese Diagnose habe. Und dann hatten wir uns darüber unterhalten und sie hatte gesagt, eigentlich nebenbei, dass es schade ist, dass wir da nicht einen wirklichen Ansprechpartner haben. Dann hatte ich kurz drüber nachgedacht und ein paar Wochen nach der Klassenfahrt eine E-Mail an Björn, unseren Schuldirektor, geschickt. Und ihn darauf angesprochen, dass ich schon ein Vorstellungsgespräch erwähnt hatte: Ich bin leicht im autistischen Spektrum. Und dass ich mich als Ansprechpartner anbieten würde. Und kam dann eine Kollegin von ihm aus der Schulleitung auch kurz danach auf mich zu und hatte gesagt, es sei in der Schulleitung besprochen worden und die würden das gerne machen. Ich habe da keine offizielle Position oder so, aber in der wöchentlichen Dienst-Mail ist das dann noch geschrieben worden: Der Kollege Fabian Bianchi ist ab sofort Ansprechpartner für autistische Schüler. In zwei Fällen sind auch schon Kollegen auf mich zugekommen, ganz unterschiedliche Sachen. Und die haben das als etwas Wertvolles gesehen und einerseits sieht man dort: Oh, Autismus, das ist niemand, den wir automatisch aus dem Bewerberkreis rausschmeißen müssen. Und dann sehen wir: Wir wissen, wir haben diese autistischen Schüler und wir wollen etwas Gutes für sie tun. Und das ist eigentlich schon eine extreme Entwicklung für mich.

Marco: Ja, weil es schon viel mehr Offenheit und Interesse dafür gibt, so wie das jetzt klingt.

Mirjam: Was konntest du konkret tun?

0:51:34

Fabian: Bisher war es noch nicht viel, aber es ist in Anspruch genommen worden.

Mirjam: Du bist da auch noch nicht so lange.

Fabian: Erst seit Anfang des Schuljahres.

Mirjam: Ja, das ist ja dann noch ganz frisch. Und auf der Klassenfahrt, bist du da denn quasi zum Einsatz gekommen? Hast du dich um den…

Fabian: Nein, nein.

Mirjam: Hast einfach nur so ein Auge drauf gehabt.

Fabian: Ja.

Mirjam: Worauf, wo hast du denn dann so feine Antennen für, wenn du meinst, dir selber ist ja, du warst ja Mobbing-Opfer, hast du gerade erzählt. Hast du da so Antennen für entwickelt, wenn, Kinder in Gefahr geraten, Opfer zu werden von solchen Attacken?

0:52:10

Fabian: Ja, da reagiere ich natürlich entsprechend.

Mirjam: Wie denn dann? Also was tust du dann?

Fabian: Einfach dazwischen gehen. Und ich sage mal, der Vorteil zum Beispiel der Schule in Zeven ist auch, da haben die Klassen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, immer ein Tandem aus zwei Klassenlehrkräften. Das heißt, wenn dann etwas ist wie zum Beispiel Mobbing in einer Klasse, dann hat man sofort zwei Lehrkräfte, die sich zusammensetzen können und das regeln können. Da steht man also nicht alleine da.

Marco: Welche Barrieren müssten für Dich noch verändert werden? Oder ist es gerade sogar schon eine Schule, die so offen ist, dass sie sagt: Ok, beispielsweise da ist ein Rückzugsraum, wenn Du mal zu viel hast, kannst Du Dich da zurückziehen.

0:53:04

Fabian: Bei mir ist es nicht so, dass ich da so spontan schon Rückzugsraum brauche. Im Lehrerzimmer zum Beispiel, wir haben ein Lehrerzimmer für jeden Jahrgang. Wenn es mal eine stressige Stunde gab, da reicht es, wenn ich mich da in der Pause in den Raum setzen kann zu den Kollegen. Also das ist bei mir nicht so extrem, dass ich zwischendrin das Gefühl bekomme, es geht nicht mehr.

0:53:33

Mirjam: Wie war das denn für dich, als du selber Schüler warst, hattest du da so, das nennt man ja Overload, also wenn zu viele Reize, zu viel Druck oder von irgendwas zu viel auf ein autistisches Kind einströmt?

Fabian: Ja, also erst mal wusste ich ja gar nicht, was los ist mit mir. Und ja, dann kamen die Tränen, da habe ich angefangen zu weinen. Da hat sich das so angestaut, dass noch eine kleine Kleinigkeit reichte, um das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen zu bringen.

Mirjam: Und darauf haben dann die Mitschüler wieder reagiert?

Fabian: Ja, der weint ja schnell, auf dem können wir besser rumhacken, der ist ja schön schwach.

Marco: Ja, das ist richtig fies und dann kriegt das so eine Eigendynamik. Und einerseits ist ja das Weinen ein sehr gutes Ventil, um das nicht alles in sich rein zu internalisieren, weil du ja vorhin auch kurz erwähnt hast, dass du ja jetzt jemand warst, der das ja nicht so expressiv nach draußen brachte. Wenn man dann immer wieder Dinge kassiert, so an Herabwürdigungen und so weiter, dass man dann im Extremfall auch ziemlich extrem zurückschlagen könnte, im Sinne des Wortes.

Fabian: Das Problem ist, die Sache ist dann die, die Mobber sind dann in der Gruppe. Wenn die etwas machen: Ach, unser Kumpel hat nichts getan, der ist ganz lieb gewesen. Ja, und das Opfer steht dann alleine da, wenn etwas ist. Das heißt, die Täter bekommen nicht Ärger, wenn sie etwas machen, das Opfer schon. Und das steigert den Frust dann noch umso mehr. Und dann gerät es auch in eine Spirale.

Marco: Mh, mh, ja..

0:55:18

Mirjam: Du hast die Negativbeispiele aus deiner eigenen Schulzeit im Gepäck und willst es jetzt anders machen. Also du hast ja Fünftklässler bis neunte Klasse hast du mir erzählt.

Fabian: Genau, ich bin Co-Klassenlehrer in der fünften Klasse, dann siebte Klasse, neuerdings auch achte Klasse, weil ich dort wegen einer langfristigen Erkrankung habe ich dort einen Kurs übernommen, und neunte Klasse.

Mirjam: Ganz schön unterschiedliche und auch ganz schön herausfordernde Phasen, also es sind ja so Übergangsphasen. Fünfte Klasse, da kommen sie von der Grundschule in die weiterführende Schule, da passiert viel. Und in der achten oder neunten Klasse, das ist ja dann mitten in der Pubertät.

Fabian: Also, ich finde, die 8. und 9. Klassen sind eigentlich recht zahm. Da gibt es natürlich immer den einen oder anderen Schüler, wo es schwieriger ist. Die 5. Klassen, die aktuellen 5. Klassen, die waren, glaube ich, auch noch sehr durch Corona beeinträchtigt, waren weniger in der Schule, als sie es hätten sein sollen. Und das hat dann auch einen Einfluss auf die soziale Entwicklung. Und deswegen können die aktuellen 5. Klassen stellenweise anstrengend wirken im Vergleich zu anderen Jahrgängen. In der 9. Klasse, da gibt man Arbeitsaufträge, sie werden gemacht. Und in jüngeren Jahrgängen muss man auch viel mehr motivieren. Ich glaube, so ab der 6. Klasse wird es dann anfangen mit Pubertät. Und das kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt Jugendliche, die sind in der Pubertät handzahm. Dann gibt es welche, die versuchen, sich in der Öffentlichkeit zu produzieren, sich zu zeigen, ich bin der Coolste und sowas.

Mirjam: Wie gehst du da denn heute mit um, also wenn dir Verhalten begegnet, worunter du selber als Schüler gelitten hast?

0:57:28

Fabian: Meinst du jetzt dieses Mobbing-Verhalten?

Mirjam: Ja, oder wenn sich so Gruppen bilden und du merkst, da sind einfach so Dynamiken, wo Kinder ausgegrenzt werden oder belächelt oder belacht werden.

Fabian: Ja, also wenn die direkt beleidigt werden, dann muss dagegen auch vorgegangen werden. Das ist jetzt immer eine schwierige Sache. Wie soll man mit einem Schüler umgehen, der einen anderen Schüler mobbt? Man muss gucken, ist das vielleicht eine persönliche Sache zwischen denen oder gehört er zu einer Gruppe? Das ist schwierig zu erklären. Da gibt es eigentlich kein wirkliches einmaliges Erfolgsrezept. Aber es ist auf jeden Fall klar, man muss handeln, damit nicht diese Situation kommt, die ich schon mal beschrieben habe. Ein gemobbter Schüler ist in der Ecke und entweder wird er ewig Opfer sein oder er wird zum Täter. Und man muss halt alles tun, dass es nicht bis dahin kommt. Und deswegen muss man da immer ein Auge drauf haben. Aber der Umgang, wenn es passiert ist, das ist… da gibt es so viele Möglichkeiten, wie man handeln kann, wie man handeln muss. Es kommt darauf an, was für Gruppen das ist. Hat es einen konkreten Grund, warum dieser Schüler rausgepickt wurde oder einfach nur, weil er oder sie am sensibelsten ist? Und ja, also da kann ich so spontan nicht sagen, das muss man bei Mobbing tun, da muss man jeden Fall einzeln untersuchen.

0:59:21

Mirjam: Als wir das in unserem Elternkreis erwähnt haben, dass wir einen autistischen Lehrer zu Gast haben, da hat gleich ein Elternteil eine Frage mit reingegeben und die würde ich gerne mal an dich weiterreichen. Und zwar, was kann denn eine Lehrkraft tun, wenn sie vor sich ein autistisches Kind sitzen hat, das aus welchen Gründen auch immer etwas tut, was sie auf keinen Fall dulden kann vor der ganzen Klasse, also zum Beispiel Schimpfwörter benutzt, irgendwas Beleidigendes oder Unflätiges oder so, also einfach gegen eine Regel verstößt. Und was soll so eine Lehrkraft dann tun, um das Kind nicht bloßzustellen, aber auch eben, dass die anderen Kinder auch was daraus lernen, also hast du solche Situationen schon erlebt?

Fabian: Also so extreme Situationen habe ich selbst nicht erlebt, aber wenn die Lehrerin nicht ihre Autorität vor der Klasse verlieren will, kann sie das nicht zu oft durchgehen lassen und muss auch entsprechend reagieren können. Aber wenn das Kind es auch wirklich verstehen soll, da würde ich sagen, dass da schon professionelle Hilfe gebraucht wird. Und damit die Motivation vielleicht dahinter verstanden wird, was der Auslöser ist. Das kann ich jetzt nicht beurteilen, ist es etwas, was zum Beispiel sich langfristig entwickelt hat oder ist das eher etwas Kurzfristiges. Da würde ich schon empfehlen, mit dem Kind zum Therapeuten zu gehen, aber sicher zu gehen dass es eben auch ein Mann oder eine Frau ist, dass der Therapeut, die Therapeutin auch was von Autismus versteht. Und da gelangen wir dann zum nächsten Problem.

1:01:12

Man kann nicht einfach bei drei Autismus Therapeuten ein paar Termine für die nächste Woche machen und gucken, wer kennt sich am besten aus. Die Wartezeiten sind extrem. Und deswegen ist das leider kein Problem, was wahrscheinlich auf die Schnelle gelöst wird, wenn nicht der motivierende Faktor dahinter, aus wer weiß welchen Gründen plötzlich verschwindet. Vielleicht ist es gerade eine stressige Situation im Freundeskreis, in der Familie, was dafür sorgt, dass das Kind schon, ja, man könnte sagen geladen und entsichert zur Schule kommt.

1:01:58

Marco: Ja, es können ja auch eben reizüberflutende Situationen sein und klar, um die Schwierigkeiten mit der Beratungssituation etwas zu entspannen, gibt es zumindest hier in Bremen auch die Möglichkeit, über die regionalen Unterstützungszentren, wie heißt das, Rebuz heißt das hier, ich glaube auf dem Land heißt das Regionaler Dienst oder Mobiler Dienst.

Mirjam: Ja, in Niedersachsen heißt das zum Beispiel so.

Marco: Ja, weil die haben eben auch Beratungsmöglichkeiten, auch von Leuten, die sich auf Autismus-Spektrum-Störungen spezialisiert haben. Das ist noch eine Möglichkeit, wo es Beratung geben kann. Zudem auch über den Martinsclub, gibt es das auch. Klar, und dann über die Autismus-Zentren, wenn man dann da in der Warteliste weiter vorne ist oder das Kind bereits in therapeutischer Begleitung ist. Ja, und das können, das sehe ich auch so, so vielgestaltige Gründe sein, warum es da zu solchen Verhaltensweisen kommt.

1:03:05

Mirjam: Und ich habe gerade noch gedacht, das ist ein Punkt, über den wir noch gar nicht richtig gesprochen haben, es spielt ja auch eine Rolle, ob die Klasse Bescheid weiß über den Autismus oder nicht. Wie ist denn deine Haltung dazu jetzt als Lehrer, also findest du ein Outing sinnvoll, also ein Outing jetzt in dem Sinne, dass die Eltern oder die Lehrkräfte oder das Kind selber, die Mitschüler aufklärt darüber, dass er oder sie ein Autist ist?

Fabian: Äh das. Ähm, also ich sehe das abhängig von der einzelnen Klasse. Wenn es dort mehrere Persönlichkeiten gibt, die dazu neigen, auf vermeintlich Schwächeren rumzuhacken, auf jedem, der irgendwie anders ist, da kann das negative Folgen haben. In einer ruhigeren Klasse könnte das natürlich besser sein. Aber dabei muss auch bedacht werden, hat das Kind den Drang, sich nicht mehr zu verstecken oder fühlt es sich gar nicht in Deckung versteckt? Das wäre da ein wichtiger Faktor, also einerseits die Klassensituation und auf der anderen Seite, wie wichtig ist es für das Kind, sich zu outen?

Marco: Ja. Die eigene Motivation des Kindes.

Fabian: Das in höheren Jahrgängen, gerade wenn die Pubertät langsam schwächer wird, da ist das eine leichtere Situation. Aber davor immer auf den Einzelfall achten.

Marco: Ja, das ist nochmal ein interessanter Aspekt, den du benennst, dass sich das auch von den jeweiligen Schülern im Spektrum abhängig macht, ob die dafür offen sind, ob sie sich offen zeigen möchten und dass die Klassendynamik natürlich auch noch eine Rolle spielt, ist auch wichtig. Das stimmt, da gebe ich dir recht. Ich habe das tatsächlich in verschiedenen Klassenstufen schon durchgeführt, in der dritten Klasse, in der fünften, in der neunten, zehnten und tatsächlich in der neunten, zehnten sind sie dafür noch zugänglicher, aufnahmefähiger, oft als in anderen Jahrgängen. Aber ich habe auch tatsächlich gute Erfahrungen gemacht, wo man nicht gedacht hätte, dass bestimmte Leute, die zunächst so wirkten, als ob sie eigentlich darauf aus sind, um auf Schwächere einzuwirken und sich dadurch zu überhöhen, dass genau die dann so einen Sinneswandel hatten und gemeint haben: Oh, jetzt verstehe ich, warum der Schüler Schutz braucht. Und haben sich dann schützend vor ihn gestellt. Das kann es geben, muss es nicht zwangsläufig. Aber du hast, da gebe ich dir komplett recht, diese Klassendynamik sollte schon mit bedacht werden bei solchen Ideen des Outings, der Aufklärung oder Gespräche über Autismus. Und ich kann dir da auch nur beipflichten, bei solchen Situationen, wie eben geschildert, dass dann da ein Kind… mutmaßlich aus einer Überlastung dann doch da sich herausfordernd gegenüber den Lehrkräften verhält, das dann auch mit Fachkräften zu besprechen, sei es aus dem Rebuz oder aus dem Therapiezentrum, Beratungszentrum.

Mirjam: Was hast du dir vorgenommen, wenn du jetzt noch am Anfang bist, in den nächsten Jahren zu ändern? Also, Oh Gott, ich bin echt durch. Ich versuche gerade zum Ende zu kommen und irgendwie den Sack zuzumachen. Wir haben aber am Ende, ich möchte am Ende eigentlich das immer so ein bisschen nach außen öffnen, also dass man nochmal so gemeinsam so ein Resümee hat, was auch Leute, die kein autistisches Kind in der Schule haben, eben so für sich mitnehmen können. Und mir fällt es gerade schwer, den Sack zuzumachen.

Marco: Was ist der Wunsch an die nicht-autistische Welt, könnte man sagen, oder an die neurotypische Welt, um es allen Menschen einfacher zu machen?

1:06:58

Fabian: Also es würde sich auf jeden Fall anbieten, jetzt vielleicht… Es gibt an manchen Schulen immer so Sondertage, manche Schulen sind zum Beispiel Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage und so weiter. Und man könnte das… in meiner alten Schule war das immer so, wir haben Diskriminierung von Dunkelhäutigen behandelt, von Juden, manchmal von Moslems, das war’s. Aber so Rassismus zu bekämpfen und Courage mit einzubringen, dazu gehört auch sich um Homosexuelle zu kümmern, um Menschen mit unsichtbaren Behinderungen, so nenne ich das manchmal.

Marco: Ja!

Fabian: Und ich glaube, da würde es allen Schulen helfen, wenn sie solche Sondertage auch dafür benutzen, vielleicht Projektarbeiten zu machen, wo Schüler und Schülerinnen sich auch ein bisschen mit Psychologie beschäftigen, mit dem, was bei manchen Menschen vielleicht anders läuft. Ob es Sachen sind, die angeboren sind, wie Autismus. Oder auch genauso gut könnte man in den Bereich Depressionen gehen, da muss ich nicht nur sowas anbieten.

Marco: Total, das finde ich eine sehr gute Idee, gerade in dieser Anknüpfung an die schon bekannten Dinge, die du eben erwähnt hast, dann dieses Themenspektrum zu erweitern, um eben diese psychologischen Phänomene und unsichtbaren Phänomene zu erweitern.

Fabian: Und vielleicht würden sich da auch Möglichkeiten finden lassen, je nach Lehrplan, je nachdem, wie eng der gestrickt ist. In manchen Fächern wie Geschichte, Politik oder GL, Gesellschaftslehre, auf solche Themen einzugehen. Wenn das irgendwie möglich und von der Struktur her einzufügen ist.

Marco: Ja, und ich finde die Idee auch insofern so genial, weil sie dann auch nicht die Schüler und Schülerinnen im Spektrum dazu nötig, sich zu exponieren, weil sich alle mit einer Thematik auseinandersetzen und vielleicht dann auch Parallelen zu dem einen oder anderen Schüler oder Schülerin finden und sagen: Ach, interessant! Toll, ja, das finde ich, das sollten wir mal raussenden an alle Schulen des Landes und wo auch immer wir zu hören sind, das mal zu überdenken!

Fabian: Je nach Jahrgangssituation könnte man aber nicht da jemanden zwangsouten, um etwas angeblich Gutes (lacht) daraus zu machen. Sondern da wäre es besser, wenn man Einzelschicksale, Einzelpersonen rausnimmt und vielleicht exponierte Beispiele zu nehmen.

Marco: Absolut.

Fabian: Wie Temple Grandin über eine Filmbiografie mit Claire Danes ja oder fiktive Beispiele wie Sherlock.

Marco: Jaja, das fand ich auch nochmal. Vorhin, als du das erwähnt hattest, dein Vortrag in der Uni, das wieder über diese ganzen populärkulturellen Dinge, die es ja schon gibt, über Filme und Literatur nochmal anzuknüpfen. Ja, toller Gedanke. Danke.

Mirjam: Ja.

Marco: Danke dafür.

1:10:20

Mirjam: Danke dir, Marco. Ich habe noch eine letzte Frage, die ich jetzt noch hinterher schiebe, weil ich sie so wichtig fand. Als wir bei der Lehrerin waren, da hast du von Autorität gesprochen. Was glaubst du, bringst du denn mit, das aus dir einen guten Lehrer macht, also dass du da die Autorität hast, vor einer Klasse zu stehen?

Fabian: Dass ich mir über lange Jahre es angeeignet habe, mich auch mal durchzusetzen. Denn in stressigen Situationen steht man immer vor der Frage: Soll ich es mir gemütlich machen, mich zurückziehen und sie machen lassen? Das hat meistens nicht so großen Erfolg. Und da muss man es lernen, sich durchzusetzen. Und das hat am Anfang, als ich mal ganz kurz in einer anderen Schule Vertretungslehrer war, nicht wirklich geklappt. Und das musste ich über die Jahre entwickeln. Und dann muss man gleichzeitig aber auch in der Lage sein, ein Ohr für die Schüler zu haben. Und ich glaube, dass das eine Stärke sein könnte, durch die eigentlich schlimmen Erfahrungen aus meiner Schule, dass ich da vielleicht eine etwas größere Antenne habe im Hinblick darauf, ob es einem Schüler, einer Schülerin gerade schlecht geht. Denn es gibt ja nicht nur Probleme in der Schule. Manche Kinder und Jugendliche, ich hatte vorhin schon mal den Ausdruck benutzt, kommen geladen und entsichert zur Schule, weil zu Hause etwas ist. Und dann, man kann es an jeder Schule erleben, reicht ein kleines bisschen aus, eine kleine Provokation und dann hat man eine ausgewachsene Schlägerei. Und das ist nicht mehr in der Grundschule. Wenn es dann zu solchen Extremsituationen kommt, dann hat man auch mal blutende Lippen oder angeknacksten Finger, verstauchtes Handgelenk.

Marco: Aber wenn ich dich richtig verstehe, dann speist sich deine Autorität ein Stück weit auch aus deiner Empathie für die Situation der Schüler, die du da antriffst, wenn sie, wie du sagst, geladen in die Schule kommen. Dass du dann dich aus der Erinnerung deiner Situation dich da hineinversetzen kannst und dadurch nochmal anders drauf eingehst. Du hast gesagt, ein Ohr für die Schüler zu haben.

Fabian: Ja. Sonst kommt immer wieder das Wutproblem, die Wut richtet sich entweder gegen sich selbst oder nach außen, wenn der Ausbruch kommt.

Marco: Ich finde es nochmal so interessant, die Autorität eben nicht darauf zu begründen: Ich muss mein Ding durchziehen. Oder durchsetzen schon, aber eben nicht aufgrund dessen, weil ich hier was mehr zu sagen habe als die anderen, sondern weil ich dich verstehe, weil ich ein Ohr für dich habe. Das kann ja auch eine Art von Autorität sein, oder? So hatte ich dich zumindest verstanden.

Fabian: Ja.

1:13:30

Mirjam: Vielen Dank, Fabian, dass du heute mit uns gesprochen hast.

Marco: Ja, ich danke auch. Ich fand das sehr inspirierend, mal wieder. Toll, dass du da warst.

Fabian:Danke.

Mirjam: Tschüss.

Marco: Tschüss.

Fabian: Tschüss.

1:13:52

Outro

Musik: (Joss Peach: Cherry On The Cake, lizensiert durch sonoton.music)

Sprecher: Das war Spektakulär. Eltern erkunden Autismus.

Mirjam: Unsere Kontaktdaten und alle Infos zu unseren Folgen findest du in den Shownotes auf unserer Seite spektrakulaer.de.

Sprecher: Der Podcast aus dem Martins-Club Bremen.

Musik-Ende

Sprecher: Gefördert durch die Aktion Mensch

Nach oben scrollen