Frau mit kurzen Haaren lacht

Extrapod 1

Spektrakulär – Extrapod zur  Bundestagung mit Dr. Christine Preißmann

„Meine Eltern haben immer an mich geglaubt, auch wenn es sonst niemand tat.“

Erscheinungstermin: ab 19.03.2024, Autorin: Mirjam Rosentreter

Intro

Musik: (Joss Peach: Cherry On The Cake, lizensiert durch sonoton.music)

Sprecher: Spektrakulär – Eltern erkunden Autismus.

Marco Tiede (Host): So, liebe Leute. Hier ist nochmal Euer Co-Host Marco. Denn ich darf ein weiteres Interview von Mirjam ansagen, das sie als Reporterin von der Autismus-Bundestagung 2024 mitgebracht hat. Das Transkript und weitere Infos zu dieser Extrapod-Folge findet ihr wie immer auf unserer Webseite spektrakulaer.de.

Intro

Sprecherin: Dr. Christine Preißmann – Ärztin, Psychotherapeutin und Leiterin des autistischen Beirates von Autismus Deutschland

Intro-Ende: Musik + Geräuscheffekt (Klapper)

Atmo-O-Ton

Anmoderation

Mirjam Rosentreter (Host/Reporterin):

Atmo-O-Ton

Vor einer Stunde ist der erste Kongresstag zu Ende gegangen. Hunderte Menschen sind aus den Hallen und Vortragsälen geströmt. Ein paar Grüppchen habe ich auch zusammen in Richtung Bremer Innenstadt laufen sehen. Andere ziehen sich nach einem so vollen Tag lieber allein auf ein Zimmer zurück.
Zu ihnen gehört die autistische Allgemeinmedizinerin und Psychotherapeutin Dr. Christine Preißmann. Wir sind im Hotel direkt am Kongresszentrum zum Interview verabredet. Teppiche und sanftes Licht dimmen die Atmosphäre. Während mich der Fahrstuhl in den vierten Stock bringt, hier drei wichtige Stationen im Leben der Ärztin:

Atmo Fahrstuhlfahrt und Gang zum Zimmer

Mit 27, zum Ende des Studiums erhält sie ihre Autismus-Diagnose, mit 32 übernimmt sie für zehn Jahre die Leitung einer psychiatrischen Suchtabteilung und Ambulanz, mit Anfang 50 gründet sie vor drei Jahren ihre eigene Praxis für Psychotherapie.

Atmo Türöffnen

Mir öffnet eine konzentriert schauende Christine Preißmann. Sie sieht genauso aus, wie ich sie seit Jahren von Fotos und Videos kenne: Die dunkelblonden Locken kurz geschnitten, ungeschminkt, sportlich schlicht gekleidet. Sie bittet mich höflich aber direkt, mich mit größerem Abstand zu ihr hinzusetzen und das Mikro lieber über den Tisch hin und herzureichen. Im Laufe unseres Gesprächs werde ich merken, dass meine Interviewpartnerin die Übergabepausen nutzt, um sich aufs Antworten vorzubereiten. 

Beim Autismus-Kongress ist in diesem Jahr ein großes Thema die Lebenszufriedenheit. Genau wie in Christine Preißmanns jüngstem Buch. Es heißt „Mit Autismus leben – eine Ermutigung.“ Ein Titel in dem das Schwere und das Leichte mitschwingt. Ich möchte von ihr erfahren, wie sie ihre Balance im Leben gefunden hat und ihren Patienten und deren Angehörigen nun dabei hilft.

Interview

Mirjam: Wie ist Ihnen Autismus das erste Mal im Leben begegnet?

Christine Preißmann: Ja, das war so in der Endphase von meinem Medizinstudium, als ich eben immer depressiver geworden bin. Ich hatte damals erstmals darunter gelitten, dass ich eben alleine war, während die Kommilitonen immer in Gruppen zusammenstanden. Und dann habe ich für mich halt einfach recherchiert und hab Gott sei Dank auch den Rat meines Psychiaters angenommen und mir eine Psychotherapeutin gesucht. Ich bin damals natürlich auf das Thema Depression gekommen das war ja auch damals mein Zustand und dann hatte ich das Glück, dass ich eine Therapeutin geraten bin, die sich ein bisschen mit dem Thema Autismus auskannte, weil sie ne Freundin hatte, die eben als Heilpädagogik auf dem Gebiet tätig war. kann teilweise ne Freundin hatte die eben als Heilpädagogin auf dem Gebiet tätig war ja und so ist es dann auch bei mir zu einer Diagnose gekommen, was im Nachhinein natürlich ein großer Glücksfall war.

Mirjam: Warum war Glück – das ist interessant, dass ihnen das Wort dazu, also, dass für sie das das zusammenfass.

Preißmann: Das ist was, was viele meiner Patienten so beschreiben das ist einfach ne Erleichterung ist ne ein Begriff für all die Auffälligkeiten zu haben also es war ne Erleichterung war ne Befreiung zu wissen, dass es keine ja kein eigenes Versagen war wird er mir oft genug gesagt. Stell dich doch nicht so an oder streng dich mehr an oder du könntest doch, wenn du nur wolltest und das war ungeheuer befreiend, und ich erlebt es immer wieder heutzutage, dass es nicht nur betroffenen Menschen selbst, sondern eben auch für deren Eltern wirklich ne Erleichterung ist.

Mirjam: Das ging uns als Eltern auch, so dass – mein Co-Host Marco und ich, wir moderieren ja zusammen einen Elternkreis, und das hören wir immer wieder, dass es eine Erleichterung gibt. Doch was ich in den letzten Jahren festgestellt habe, ist eine kleine Veränderung, dass wenn eine Diagnose kommt, dass das bei den Eltern mittlerweile ein bisschen mehr auf fruchtbaren Boden sozusagen fällt, weil die Eltern aufgeklärter sind und oft selber wie Forschende das als Erste wissen. Sie nicken, sehen Sie das auch so?

Preißmann: Ja ist ganz unterschiedlich. Also ich hab nach wie vor auch Eltern und hab auch bekomme häufig die Schilderung auch von Pädagogen, dass die Eltern tatsächlich nicht offen sind für dieses Thema. Ich glaub man muss da allen Beteiligten Zeit geben aber im Prinzip ist es richtig, dass heutzutage einfach alle Beteiligten doch deutlich besser Bescheid wissen und das ist ja auch gut so.

Mirjam: Wie erklären Sie denn Menschen, die noch wenig von Autismus wissen und sie werden damit konfrontiert einfach und verständlich, was das bedeutet.

Preißmann: Ja, das bedeutet Schwierigkeiten in der Kommunikation, in der sozialen Interaktion. Das bedeutet für mich eigentlich ne große Einsamkeit. Ich hab lange, lange bei meinen Eltern gewohnt und bin jetzt noch gar nicht so ganz lange erst ausgezogen hab außer meinen Eltern auch heute noch nah zu niemanden also keine Freunde keinen Partner und das bedeutet für mich so der Autismus also ne Schwierigkeit mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Häufige Missverständnisse in Kontakt mit anderen und eben das häufige Alleinsein oder das dauernde Alleinsein, aber auf der anderen Seite natürlich auch ganz viele Fähigkeiten, die anderen Menschen so vielleicht nicht haben und die es mir dann eben auch ermöglichen, ne gute Arbeit zu machen.

Mirjam: Ist es denn so, dass diese Einsamkeit immer für sie was negatives ist oder gewinnen Sie der auch positives Seiten ab?

Preißmann: Natürlich merke ich, dass ich die das Alleinsein brauche. Alleinsein ist ja nicht gleich Einsamkeit. Na so Einsamkeit mit Einsamkeit beschreibe ich tatsächlich das negative, das, was für mich sich negative anfühlt. Das Alleinsein selbst ist natürlich manchmal auch positiv. Ich fahr zum Beispiel immer allein in den Urlaub und ich genieße diese Zeiten auch ich könnte mir auch gar nicht vorstellen diese Urlaube so mit jemand anders zu verbringen? Man müsste sich halt einfach immer offen anderen Menschen einlassen und das würde ich wohl nicht können. Also das sind schon so manchmal auch Zeiten wo ich das Alleinsein genieße. Und trotzdem fühle ich mich immer wieder einsam und das ist kein schönes Gefühl in welchen Momenten geht denn dieses Gefühl weg wann geht das Gefühl der Einsamkeit weg ja das geht weg wenn ich mit meinen Eltern zusammen bin. Das geht weg wenn ich schöne Urlaube mache wenn ich Tierbeobachtungen mache. Ich bin immer sehr gerne im Urlaub oder auch an den Wochenenden. Irgendwo wo es Tiere gibt, wo man Tiere angucken kann, ich war in Afrika mal gewesen und wenn so ein Elefant fast Press vor allem steht, dann denkt man irgendwie nicht mehr an Einsamkeit dann sind negative Gedanken oft ganz weit weg und ja ich kann auf diese Weise sehr gut abschalten aber das muss natürlich jeder für sich entscheiden

Mirjam: Wie finden autistische und nicht autistische Menschen gut zueinander, was müssen dafür für Bedingungen herrschen?

Preißmann: Ich erlebe das ganz oft in meiner Praxis, dass man einfach so ein bisschen Information braucht gegenseitig d.h. dass es jemanden braucht der so ein bisschen vermitteln kann. Also ich hab ne psychotherapeutische Praxis wo ich Erwachsene autistische Menschen berate, wo ich Therapie anbiete wo ich auch Diagnosen mache und dich empfehle oder ich anbiete immer wieder auch an, dass man ruhig auch mal ein gemeinsames Gespräch mit dem Partner oder mit einer Freundin Freund oder eben auch mit einem Elternteil führt weil es ja doch häufiger Missverständnisse gibt denn denn nicht autistische Mensch kann eben das Denken oft so nicht nachvollziehen unser Denken und dann ist es oft ganz hilfreich, wenn man da wirklich so ein bisschen vermitteln kann und das wurde mir tatsächlich auch schon mehrmals zurückgemeldet, dass man sich dann wirklich von beiden Seiten besser verstehen kann also ich glaub so diese Beratung dieses dieses vermitteln in Beziehungen das ist, was ganz hilfreich ist.

Mirjam: Wo hakt es denn? Was ist denn das Kernproblem, dass die Denkstruktur anders ist?

Preißmann: Also, einmal häufig so dieses diese verbalen diese verbale Kommunikation, dass wir eben vieles missverstehen, was die anderen sagen, wenn sie sich nicht ganz deutlich ausdrücken zum anderen ist es ja so, dass viele autistische Menschen oft ja sehr starr in ihren Denkstrukturen sind sehr wenig Kompromiss bereit das können die anderen oft gar nicht verstehen. Warum kannst du da keine Kompromisse machen? Warum fallen dir Veränderungen so schwer? Warum kannst du nicht irgendwas Neues entweder einfach mal zulassen oder eben nicht gleich abwerten und all das sind eben Dinge, die uns schwerfallen, die andere Menschen oft gar nicht so recht verstehen können.

Outro

Musik: (Joss Peach: Cherry On The Cake, lizensiert durch sonoton.music)

Sprecher: Das war Spektakulär – Eltern erkunden Autismus

Mirjam: Unsere Kontaktdaten und alle Infos zu unseren Folgen findest du in den Shownotes auf unserer Seite spektrakulaer.de.

Sprecher: Der Podcast aus dem Martinsclub Club Bremen.

Musik-Ende

Sprecher: Gefördert durch die Aktion Mensch

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